Wir fahren die Mountainbikepisten hinauf zu den höhergelegenen Bergen des Biosphärenreservats Las Terrazas in Westkuba und sehen weit unter uns den See Lago Palmar durch die Baumkronen.
Die MTB Route Las Peladas führt tief in die Wälder von Las Terrazas hinein. Gestrüpp und trockene Äste kratzen an unseren Beinen und verfangen sich in den Rädern. Der Waldweg ist trocken und voller Steine und Felsbrocken.
Plötzlich stürzt Marco vor uns. “Que paso hermano?!!” (Was ist passiert, Bruder), rufen die Jungs und eilen zu ihm.
"Keine Ahnung, irgendwas ist gerade zerbrochen als ich da an den dornigen Kletten hängen geblieben bin.”
Und da sehen wir die Beschehrung – das komplette Schaltwerk hängt samt Kette von seinem Mountainbike herab. Das Schaltauge ist entzwei gebrochen – sowas habe ich noch nie gesehen! “Wie kann denn sowas zerbrechen?!”, frage ich bestürzt. – “Alte Radteile halt!”, entgegnen die Jungs.
Plötzlich wird uns das Ausmaß der Misere bewusst – wir befinden uns mitten in Westkuba auf einem Berg in einem riesigen Naturschutzgebiet, 5 Kilometer vom Dorf Las Terrazas und fast 80 Kilometer von Havanna entfernt. Ob man ein zerbrochenes Schaltwerk auch noch mit einem “invento cubano” (einer kubanischer Erfindung) zurechtbiegen kann?
Havanna bei Nacht
4.30 Uhr klingelt mein Wecker in Havanna. Aufgeregt springe ich aus dem Bett. Meine selbstauferlegte Fahrrad Challenge steht an. Noch nie in meinem Leben bin ich mehr als 50 km an einem Tag gefahren. Heute stehen uns 135 km von Havanna nach Las Terrazas und zurück bevor.
Ob ich verrückt bin?
“Wir fahren ganz langsam, da sind ja noch andere Neulinge dabei.”, meinte Carlos, den wir letzte Woche kennengelernt haben. Vorsichtshalber packe ich mal einen 50ger ein, für den Fall der Fälle dass ich einen Rücktransport organisieren muss.
Wir wollen bereits um 5.30 Uhr losfahren, um vor der Mittagssonne in Las Terrazas in Westkuba zu sein. Es ist September und sobald die Sonne aufgeht wird es um diese Jahreszeit bereits unerträglich heiß.
Mit 4 belegten Brötchen und Bananen im Gepäck mache ich mich auf nach Playa um einen Kumpel abzuholen. Mein Kumpel Miguel ist auch schon fertig und hat einen Rucksack dabei. Wir schmeißen alles zusammen und vereinbaren, dass wir ihn abwechselnd tragen. Jeder 20 km – dann wird gewechselt.
La Lisa – das “Mordor” von Havanna
In der Dunkelheit fahren wir durch Havanna und treffen auf mehrere Gruppen von Teenagern die nach einer durchfeierten Partynacht jolend durch die Straßen von Havanna nach Hause laufen.
Im Stadtteil Marianao treffen wir Carlos und seinen Kumpel Marquito. Beide ohne Rucksack. Wo habt ihr denn euer Essen und die Badeklamotten für die Fahrradtour verstaut? Carlos zeigt auf einen Beutel Brötchen den er sich in seine Radshirttaschen am Rücken gestopft hat. “Mehr brauch ich nicht”, grinst er in die Runde.
Kubaner! Deren Easy Going Einstellung muss ich mir noch antrainieren.
Um 5.30 Uhr wollten wir starten. Wir warten immer noch auf einige Leute, doch die tauchen nicht auf. “Kommt, wir fahren zu mir nach Hause nach La Lisa, sollen sie da hinkommen und uns abholen”, meint Marco.
La Lisa – dieser Stadtteil ist mir witzigerweise bekannt als “das Mordor von Havanna”, da es so weit weg vom Zentrum liegt und nicht besonders heimelig aussehen soll.
Bei Marquito zu Hause angekommen, setzen wir uns in den Garten und verhalten uns still um niemanden aufzuwecken. Doch an diesem Samstag morgen steht schon um 6 Uhr in der früh seine Mutti in der Haustür, begrüsst uns freundlich und bittet uns ins Haus um uns einen cafecito (kubanischer Espresso) zuzubereiten. Wieder einmal berührt mich die Freundlichkeit der Kubaner. In Deutschland würdest du dir eher eine bösen Blick einfangen, wenn du mit fremden Leute Samstag morgen früh um 6 zu Hause auftauchst.
Der frühe Vogel kann uns mal
Endlich trifft der Rest der Gruppe ein. Seit 2 Stunden wollten wir eigentlich bereits in Richtung Las Terrazas unterwegs sein. “Rafa ist Schuld!”, ruft einer. Anscheinend habe man Rafa erst heute früh um 5 Uhr angerufen und gefragt ob er mitkommen wollte. Das nenn ich mal Spontanität.
Wir verabschieden uns von Marcos Mutti und starten mit den ersten Sonnenstrahlen, die um 7.30 Uhr hier in Havanna schon ordentlich wärmen mit unseren Fahrrädern in Richtung Westkuba. “Gebt Gas, Leute”, meint Carlos. “In zwei Stunden will ich in Las Terrazas im See sein, da beginnt die kubanische Sauna.”
Fahrradfahren auf der kubanischen Autobahn
Schon bald erreichen wir die kubanische Autobahn und fahren am Stausee Niña Bonita kurz nach Havanna entlang, welcher wunderschön im Morgenlicht schimmert und eine tiefe Ruhe ausstrahlt.
Mein Herz schlägt höher und ich spüre in jeder Zelle meines Körper das Glück, endlich raus aus der Stadt im campo (auf dem Land) zu sein. Wie ich die Natur und die Freiheit vermisst habe!
Ich atme tief durch und bin dankbar für die Oldtimer-Abgasfreie frische Luft. Die kubanische Autobahn wird von allen Verkehrsteilnehmern genutzt. Sei es Radfahrer, Laster, Pferdekarren oder Oldtimer.
Wir radeln vorbei an Straßenverkäufern, welche Obst verkaufen oder weiße und dunkelrote Barren auf einen Tablett vorhalten. “Das ist queso cabra (Ziegenkäse) und marmelada de guayaba (Guavenmarmelade)”, erklärt Miguel.
Wir passieren mehrere Straßenbrücken, wo viele Leute im Schatten der Betonbrücken auf Mitfahrgelegenheiten warten. Sobald ein Bus oder ein Camión (Lastwagen, den die Kubaner für Überlandfahrten nutzen) vorbeifährt, wedeln Sie aufgeregt mit den Peso-Geldscheinen in der Luft. So signalisieren Sie dem Fahrzeug, dass Sie in der Lage sind für die Fahrtstrecke zu bezahlen. Manche stehen stundenlang oder den ganzen Tag, bis sie endlich eine Mitfahrgelegenheit ergattern. Hier übt man sich in kubanischer Gelassenheit.
Kochbananen zum Frühstück
„Alle 20 km anhalten und ein Brötchen reinziehen“, denke ich mir. So bekommst du genug Energie und hältst die Fahrradtour bis zum Ende durch. Diese Theorie funktioniert auf der Hinstrecke ganz gut.
Auf einem Schild vor mir sehe ich plötzlich “8 km Las Terrazas” geschrieben und traue meinen Augen nicht. Was, wir haben es schon gleich geschafft? Das war ja mal super easy. Rafa neben mir denkt genauso. Das Ziel vor Augen fährt es sich gleich besser.
Am Campismo La Chorrera gibt es eine Rasttätte an der Autobahn. Hier kaufen wir uns Kaffee und pan con tortilla (Brot mit Omelett). Das haben wir uns aber verdient! Ich verdrücke meine mitgebrachten Bananen. Hui, da habe ich aber etwas ins Klo gegriffen, die schmecken ja ganz unreif. Vom pelzigen Geschmack im Mund verziehe ich das Gesicht.
Plötzlich fängt Carlos an laut zu lachen. “Im Ernst Rebekka?!”, ruft er. “Verdrückst du grad platano maduro (Kochbanane)? Die kann man doch nicht ungekocht essen.” Die ganze Gruppe inklusive mir lacht sich kaputt. Tja, in Deutschland gibts eben keine Kochbananen, da kann man sich schon mal irren.
Berganfahrt im Biosphärenreservat Las Terrazas
Nun kommt die créme de la créme. Da Las Terrazas ein Bergdorf ist, verlassen wir nun die Autobahn und beginnen mit der hügeligen Auffahrt. Die Straße schlängelt sich stetig weiter nach oben und uns schwindet die Puste.
“Ein Hügel nach dem anderen”, motiviere ich mich und strampel weiter. Endlich erreichen wir die große Schranke, welche den Eingang zum Biosphärenreservat Las Terrazas markiert. Wir verschnaufen während der Toilettenpause am Informationscenter, denn die nächste Hürde die uns bevorsteht ist nicht ohne.
Der Weg verläuft nun steil nach oben hin zur Kaffeeplantage Cafetal Buenavista. Ich hechel und versuche dem Drang zu widerstehen vom Fahrrad abzusteigen und es einfach hochzuschieben.
Doch in den letzten Kilometern geht es nicht mehr anders – “wer sein Rad liebt, der schiebt”. Der Anstieg ist so steil, dass mir beim Anblick des bevorstehenden Weges alles vergeht. Die Mittagssonne prasselt bereits heiß auf uns herab.
Plötzlich fällt Josbel mit einem lauten Patsch in den Graben. “Kette gerissen!”, ruft jemand. Doch leider hat niemand von uns daran gedacht einen Kettennieter mitzunehmen. Naa super, da haben wir den Salat. Mit dem Fahrrad mitten in der Pampa, mit gerissener Kette und das Dorf liegt ca. 6 km unter uns. Vielleicht kann uns oben am Cafetal Buenavista jemand helfen? Uns bleibt nichts anderes übrig und wir schieben gemeinschaftlich und scherzend die Räder den Berg nach oben.
Kaffeeplantage Cafetal Buenavista in Las Terrazas
Die Kaffeeplantage Cafetal Buenavista, zu der wir uns heraufquälen, liegt in 340 Metern Höhe und ist das erste und älteste Cafetal in Kuba.
1801 nach der haitianischen Revolution wurde sie hier oben von französischen Flüchtingen aus Haiti konstruiert. Was man heute noch sehen kann, sind die Terrassen und die rekonstruierten Ruinen z. B. der Sklavenunterkünfte. Auch das alte Herrenhaus wurde restauriert, welches nun ein staatliches, aber ziemlich gutes Restaurant birgt.
Kaffee wird hier mittlerweile jedoch nicht mehr angebaut und verkauft.
Am Parkplatz angekommen sehen wir schon einige Touristenbusse stehen. Gut, wir sind wieder unter Menschen. Die Busfahrer helfen uns mit einer Zange und einer Eisenstange aus. Schnell ist die Kette mit etwas Improvisationsgeschick und einem “Invento cubano” wieder zusammengeschustert.
Wir bedanken uns bei den hilfsbereiten Busfahrern und fahren über die Terrassen des Cafetals Buenavista zum Mirador (Aussichtspunkt) nach oben.
Ein traumhafter Ausblick belohnt uns hier. Der Blick vom Cafetal Buenavista reicht über das ganze palmenbedeckte Tal des Biosphärenreservats Las Terrazas. Bergwelt in saftigem Grün soweit das Auge reicht.
Warum es in Las Terrazas so viele Palmen gibt? Vor vielen Jahren gab es verherrende Waldbrände in dieser Gegend, weshalb 1971 ein Wiederaufforstungsprojekt ins Leben gerufen wurde. So entstand das UNESCO-Projekt im Biosphärenreservat Las Terrazas mit der gleichnamigen Kommune.
MTB Fahrradroute Las Peladas in Las Terrazas
“Fahren wir nun runter zum See?”, frage ich und sehe schon ein leckeres Mittagessen vor mir. “Wir haben noch was Hübsches geplant”, meint Carlos und mir schwahnt, dass ich mich wieder einmal verschätzt habe. Es soll auf dem Mountainbike Trail Las Peladas weiter hoch in die Berge gehen und dann ca. 4 km runter ins Tal. Also Zähne zusammenbeißen und los.
Auf diesem Pfad, der mitten durch den Wald hoch in die Berge führt, trifft man keine Menschenseele. Der Weg ist bedeckt von einem Gestrüpp an niedrigen Sträuchern und trockenen Gräsern. Hier auf den Las Peladas Trail zerbricht plötzlich Marquitos Schaltwerk.
Die Kette hängt schlaff vom Rad herunter. Mit einem “invento cubano” schaffen es die Jungs nach einer gefühlten Ewigkeit in der kubanischen Mittagssonne das Schaltwerk am Fahrradrahmen zu befestigen, so dass sich das Fahrrad wenigstens noch bewegen lässt.
Marquito schaut enttäuscht und besorgt drein. Kein Wunder! Wie soll er mit dem kaputten Rad von Las Terrazas zurück nach Havanna kommen? Er kann sich nur noch rollen lassen und nicht einmal mehr in die Pedalen treten. Und ein neues Schaltwerk ist in Kuba schwrr aufzutreiben und wenn dann nur sehr teuer.
Ein zerbrochenes Schaltwerk repariert niemand. Da hilft nur ein neues Ersatzteil und sowas trägt nun wirklich niemand mit sich herum.
Wir versuchen ihn aufzumuntern in dem wir mit ihm den Trail zusammen herunterlaufen. Das ist gar nicht so verkehrt, denn durch diese ungeplante Wanderung in Las Terrazas haben wir die Gelegenheit um die tollen Ausblicke von hier oben aufzunehmen.
Tief unter uns sehen wir den See Lago Palmar mit der Raststätte Rancho Curujey. Das ist unser Ziel für den Nachmittag.
Der See funkelt einladend in der Sonne, die freudigen Stimmen der Badegäste schallen nach oben in den Wald. Schließlich haben wir es geschafft und erreichen nach der steilen Waldpiste die asphaltierte Landstraße. Hier lassen wir uns alle inklusive Marco den Berg herunterrollen.
Bergfest am Lago Palmar von Las Terrazas
Die Hälfte unserer Fahrradtour ist geschafft und wir lassen es uns so richtig gut gehen. Bei leckerer dickbödigen, kubanischen Pizza und refresco (Erfrischungsgetränk) tanken wir unsere Energiereserven wieder auf.
Natürlich darf auch das gute Bucanero Bier nicht fehlen. Das ist das stärkste Bier hier in Kuba und gerade bei uns Deutschen sehr beliebt.
Unsere schmerzenden Wadenmuskel entspannen sich beim erfrischenden Bad. Palmen und Regenwald umranden den See, kleine Boote schippern ruhig am Ufer. Die Locals rennen lachend den Steg entlang und lassen sich mit einem lauten Platschen in den See fallen.
In der Mitte des Sees gibt es eine schwebende Plattform an der sich alle sammeln. Hier auf dem Floss lassen wir es uns gutgehen, schaukeln in der Mittagssonne auf dem See und planschen scherzen im See herum.
Einer für Alle – Alle für Einen
Hier könnten wir stundenlang bleiben. Doch die aufziehenden Regenwolken erinnern uns an die bevorstehende Rückfahrt mit dem Fahrrad. Die dicken grauen Wolken und das entfernte Donnern lassen einen schweren Tropenregen vermuten. Schnell weg hier!
Doch wie sollen wir mit Marquitos kaputtemFahrrad wegkommen? Hier in Las Terrazas am Sonntagnachmittag gibt es keine bezahlbaren Transportmöglichkeiten, wir sind hier zu weit draußen in der Pampa. Wir hoffen also auf der Autobahn einen Camion (Lastwagen der zur Personenbeförderung eingesetzt wird) anhalten zu können.
Schnell haben wir herausgefunden, wie wir am Besten vorankommen. Bei der Berganfahrt schieben die Jungs mit vereinten Krämpfen Marquito samt Fahrrad den Berg hinauf, bei der Talfahrt nutzen wir die Schwerkraft und lassen uns alle hinabrollen. So kommen wir zwar langsamer aber ohne ein Gruppenmitglied zurücklassen zu müssen voran.
Das kollegiale Fahrmanöver ist so belustigend anzusehen, dass uns die Bergfahrt bei so viel Scherzen sogar ganz leicht fällt. Gottseidank setzt nur ein leichter Nieselregen ein, der für die kubanischen Sommer charakteristische Tropenregen bleibt aus.
Der wohltuende Nieselregen vertreibt vorerst die Hitze, verwandelt jedoch anschließend die Umgebung in einem dampfenden Kessel. Kubanische Luftfeuchtigkeit mit gefühlt 200%!
Mitfahrgelegenheit gesucht
An der Autobahn angekommen versuchen wir es per Anhalter. Doch ein vollbesetzter Camion nach dem anderen rauscht an uns Fahrradfahrern vorbei, keiner macht auch nur Anstalten anzuhalten.
Mist, was machen wir jetzt? Wie sollen wir die 60 km bis nach Havanna zurückkommen. “Fahrt ihr doch los, ich laufe zurück und versuche nebenbei einen Laster anzuhalten”, meint Marquito niedergeschlagen. Kommt natürlich nicht in Frage!
Nach gefühlt einer Stunde schaffen wir es endlich einen Laster zum Anhalten zu bewegen. Wir hiefen das Rad so schnell es geht hinein, denn die Laster dürfen eigentlich nur Personen befördern. Für den doppelten Fahrtpreis wird da auch mal ein Auge zugedrückt. Wir atmen auf – Marquito ist sicher auf dem Weg zurück nach Havanna.
Beschwerliche Rückfahrt auf dem Fahrrad
Die Rückfahrt nach Havanna ist anstrengender als ich dachte. Die im See entspannten Muskeln fangen wieder an zu schmerzen und das Schwimmen im See hat mir viel Kraft geraubt. Ein Kilometer nach dem anderen, Tritt nach Tritt sage ich mir immer wieder auf. Doch mir fehlt die Puste, ich schwitze wie verrückt und merke, dass ich am Ende meiner Kräfte angekommen bin.
Hunger habe ich auch schon wieder, die Pizza liegt schon wieder einige Stunden zurück. Unsere Essreserven sind leider leer. Ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren und schalte meine Indie Rock Motivationsplaylist ein. So schalte ich mich komplett von der Außenwelt ab und fahre beschwingt von der Energie der Musik los. “Je schneller du die 60 Kilometer hinter dich bringst, desto eher gibts was zu Essen und ein kühles Bier”, danke ich mir. Das motiviert!
20 Kilometer geschafft, 30 Kilometer, ich fahre so schnell ich kann ohne mich umzuschauen und konzentriere mich voll und ganz auf die Musik und ein kühles, erfrischendes Bier vor Augen. Nach gefühlt einer Stunde bemerke ich jemanden hinter mir. “Seit Kilometern versuche ich dich einzuholen, was hast du genommen!? Du kannst doch nicht so weit vorfahren, was ist wenn du einen Platten hast”, hechelt Rafa hinter mir.
“Wo sind die anderen?”, frage ich. “Keine Ahnung, hab seit Stunden nichts von Miguel und Carlos gesehen, Josbel und Fabian konnte ich vor kurzen noch hinter uns ausmachen.”, meint Rafa. Gut warten wir eben vor Havanna auf die anderen. Wir wollen so schnell es geht am Ziel kommen, denn die Rückfahrt setzt uns zu.
Die nächsten Kilometer verbringen wir quatschend und motivieren uns gegenseitig. Es wird dunkel und die kubanische Sonne versinkt tiefrot am Horizont. So langsam setzt der Durst ein. Unser Wasser ist leer und wir hoffen bald anzukommen.
Abendessen im Los Kacharitos
Plötzlich hören wir jemanden hinter uns rufen. Wir stoppen und Josbel holt uns ein. “Hier am kilometro 16 wollen wir zu abend essen, wir treffen uns im Kacharitos”. 16 Kilometer fehlen zwar noch nach Havanna, doch ein Abendessen an Ort und Stelle klingt verlockend. Also verlassen wir die Autobahn und finden uns im Restaurant Los Kacharitos ein.
Hier herrscht angenehme Atmosphäre, beim Geruch nach dem leckeren Essen läuft mit das Wasser im Mund zusammen. Ich stürze mein wohlverdientes Bier herunter. Kurz darauf wird das Essen geliefert. Ich habe mich für einen deftigen und eisenhaltigen Potaje de garbanzos (Kichererbseneintopf) entschieden, die Jungs für Schweinekotelett.
“Weiß jemand, wo Miguel und Carlos sind?” Als ich Miguel anrufen möchte, bemerke ich, dass ich seinen Rucksack mit seinem Handy dabei habe. Doch wir haben Glück und nach einigen Anläufen erreichen wir Carlos. “Es fehlen Ihnen noch 10 km bis hier her”, wundert sich Fabian.
Wir bestellen also zwei Portionen zum Mitnehmen und brechen mit unseren Fahrrädern anschließend wieder müde zur Autobahn auf.
Nachtfahrt mit dem Fahrrad nach Havanna
An der Autobahn finden wir nach einigem Suchen Miguel und Carlos. Es ist stockdunkel – die kubanische Autobahn ist nachts nicht beleuchtet.
Wir suchen uns ein Plätzchen am Straßenrand, hocken uns auf den Boden am Waldrand und lassen ein Licht leuchten, damit die vorbeirauschenden Autos uns erkennen können.
Miguel und Carlos verschlingen hungrig das mitgebrachte Essen. Das Abendessen hat seinen Rest getan, tiefe Müdigkeit erfasst mich. Ich lege mich auf den Boden und mache direkt hier auf der Autobahn einen Powernap.
Wenn ich daran denke, dass es noch 16 km bis zum Eingang von Havanna sind und wir danach wohl noch ca. 20 km bis nach Nuevo Vedado fahren müssen, wird mir schlecht.
Wir rappeln uns gegenseitig auf und fahren los. Die Rückfahrt ist beschwerlich – auf der vom wieder eingesetzen Regen nassen Straße kommen wir ins Schlittern. Nachts im Dunkeln sind die Risse, Erhebungen und Löcher auf der Autobahn schwer zu erkennen, wir kommen nur langsam voran.
Autos rasen an uns vorbei und wir sind froh darüber zwei Radlicher dabei zu haben, was hier in Kuba nicht so üblich ist.
Mit letzten Kräften erreichen wir um ca. 11 Uhr den Stadtteil Nuevo Vedado in Havanna. Was für ein Tag! Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so müde gewesen zu sein.
Hinweise für eine Radtour ins das Biosphärenreservat Las Terrazas
Diese Fahrradtour betrug ab/an Havanna insgesamt 135 km. Davon sind unterfähr 7 km reine MTB – Piste.
Link zur STRAVA Aufzeichnung der MTB Tour
Auf dem Weg nach Las Terrazas gibt es kubanische Raststätten oder Straßenverkäufer, wo man kleine Snacks oder Obst kaufen kann. Wasser sollte man selbst mitbringen, denn kaufbares Trinkwasser ist in Kuba oft Mangelware. Also Trinkrucksack vorbereiten und Wasserflaschen am Rad anbringen.
Am Ranchon Curujey in Las Terrazas gibt es in der Regal auch Wasser zu kaufen, desweiteren Sandwiches, Pizza, Softdrinks und Bier.
Wer lieber ein deftiges kreolisches Mittagessen haben möchte, wird im Dorfkern von Las Terrazas fündig: am liebsten mag ich das Casa de Campesino (da spielt oft eine Gruppe die Musik vom berühmten örtlichen Sänger Polo Montanez) und das Fonda de Mercedes. Das bekannte vegetarische Restaurant „El Romero“ hat in den letzten Jahren qualitativ etwas gelitten.
Als Stopp für eine Kaffeepause im Dorfzentrum eignet sich das Cafe Maria mit Blick ins Tal und auf die Canopy Strecke.
Im Dorfkern kann man spazieren, Souvenirs kaufen oder sich im Canopy ausprobieren (zwei Pakete im Angebot: 3 oder 6 Durchläufe).
Wer lieber während der Tour in den Bergen essen möchte, kann wie wir den steilen Anstieg zum Cafetal Buenavista bewältigen und hier oben im gleichnamigen, rustikalen Restaurant essen.
In Las Terrazas gibt es viele verschiedene Wander- und MTB Wege. Hier einige der bekanntesten:
- Las Peladas
- La Serafina
- El Taburete (höhster Berg hier)
- Lago Palmar – Cafetal Buenavista
Auch hier empfehle ich wieder das verwenden einer Offline-App wie zum Beispiel OsmAnd+ damit du in den Bergen nicht verloren gehst. Auf der MTB Route Las Peladas die wir gefahren sind, haben wir keine einzige Menschenseele getroffen.
Wer mehrere Strecken fahren oder auch mal wandern will, der kann in Las Terrazas wie folgt übernachten: im Hotel La Moka (3*), in Casa Particulares oder in den Cabañas, den Strohhütten welche sich für die Abenteurer und Campingfreunde unter euch eignen. Das Campismo El Taburete wird bei den alljährigen MTB-Wettbewerben genutzt, ist jedoch in sehr schlechten Zustand.
Weitere Infos findest du auf der Webseite Webseite des Biosphärenreservats
Als Badestopp bevorzuge ich eher den Fluss Rio San Juan statt dem Lago Palmar am Rancho Curujey, an dem das Wasser „steht“ und nicht sehr sauber ist.